Max Spielmann (links) und Michael Mack sind sich einig: Weldebräu und Heidelberger Brauerei, das passt zusammen (Foto: Pierre Pfeiffer)
Max Spielmann (links) und Michael Mack sind sich einig: Weldebräu und Heidelberger Brauerei, das passt zusammen (Foto: Pierre Pfeiffer)

Weldebräu übernimmt Heidelberger Brauerei

Die gut 90.000 Hektoliter große Weldebräu übernimmt die 25.000 Hektoliter große Heidelberger Brauerei. Beide Unternehmen sprechen von einer Nachfolgevereinbarung.

Neuer geschäftsführender Gesellschafter der Heidelberger Brauerei ist Max Spielmann, der die gleiche Position bei der Plankstadter Weldebräu inne hat und somit von nun an als Doppelspitze fungiert. Ihm zur Seite soll für noch mindestens 1 Jahr der bisherige Geschäftsführer der Heidelberger Brauerei Michael Mack stehen. Die übrigen personellen Strukturen sollen vorerst unangetastet bleiben.

Die Vereinbarung zwischen den beiden gut 270 Jahre alten Unternehmen habe nach eigenem Bekunden zum Ziel, die Heidelberger Brauerei und Weldebräu als gleichberechtigte Betriebe auf "Augenhöhe" weiter auszubauen sowie den Bestand der einzigen und letzten Heidelberger Brauerei auf Dauer zu sichern. Braustätte und Firmensitz sollen nach Angaben von Max Spielmann und Michael Mack gegenüber der GETRÄNKE ZEITUNG rechtlich selbstständig in Heidelberg verbleiben. Die beiden Brauereichefs haben für die ersten 100 Tage eine gründliche Prozessanalyse für die Heidelberger Brauerei geplant. 

Einzige sehr rasch angestrebte Maßnahme sei eine „Aroma-Hopfen-Offensive“. Max Spielmann, seines Zeichens Diplom-Kaufmann, Braumeister und Bier-Sommelier sagt gegenüber der GZ: "Ich strebe für alle Brauprozesse, auch in Heidelberg, die Verwendung von hochwertigem Aroma-Hopfen an, den wir für Welde aus der Region um Tettnang am Bodensee und aus der Hallertau beziehen. Als Brauer, der die Qualitätsführerschaft in der Region für sich in Anspruch nimmt, muss ich schon etwas mitbringen, auch wenn Aroma-Hopfen eine kostspielige Angelegenheit ist. Der Einsatz von Aroma-Hopfen in alle Brauprozesse der Heidelberger Brauerei ist mein Ziel für die ersten 100 Tage. Das wird ein herausfordernder Transformationsprozess und Arbeit genug für die erste Zeit.“ Die Weldebräu ist Mitglied der Slow Brewer, einem Gütesiegel für qualitativ hochwertiges und bis zu 6 bis 8 Wochen gereiftes Bier. 

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In dem alten Brauhaus hat Michael Mack (rechts) seine Ausbildung einst begonnen. Nun übernimmt Max Spielmann die Brauerei. (Foto: Pierre Pfeiffer)

Max Spielmann sieht durch die neue "Partnerschaft" zwischen den Brauereien aber auch viel Potenzial für Synergien: "Wir haben logistische Vorteile, weil beide Betriebe über einen eigenen Fuhrpark verfügen, die den kompletten Rhein-Neckar-Raum mit seinen rund 2,8 Millionen Menschen abdecken kann." Durch die Fusion könne man noch besser wachsen, da die Weldebräu dringend neue Lagerflächen und neue Lagertankkapazitäten benötige, so Spielmann. Beide Brauereien wollen vor allem im alkoholfreien Bereich wachsen, da dieses Biersegment laut Spielmann immer wichtiger werde. "Diese Möglichkeit hatten wir so noch nicht", erläutert der 35-jährige Brauereichef. Man benötige den Heidelberger Standort. "Wir schließen keine neuen Sorten aus: So könnten wir uns neue Fassbrausen, einen neuen Cola-Mix sowie eventuell eine echte regionale Brauer-Limo vorstellen", legt Spielmann seine Pläne dar. Auch was die Versorgung der Vertriebskanäle  angehe, würden sich die beiden Brauereien ergänzen: Während Weldebräu zu jeweils einem Drittel den LEH, den Getränkefachhandel und die Gastronomie beliefere, bewege sich die Heidelberger Brauerei zu gut 80 Prozent im Gastronomiebereich.
Insgesamt seien beide Brauereien im 1. Quartal 2024 umsatzseitig um 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Auch von der Heim-EM verspricht sich der Jung-Unternehmer einen zusätzlichen "Pusch", da Bier immer ein anlassbezogenes Geschäft sei. "Wir haben große Hoffnung, dass wir dieses Jahr ordentliche Zuwächse generieren werden", zeigt sich der Weldebräu-Chef zuversichtlich. 

Die Initiative für die Nachfolgeregelung, über deren konkrete Ausformulierung die beiden Partner Stillschweigen vereinbart haben, ging im Übrigen vom Chef der Heidelberger Brauerei Michael Mack aus. Zu oft habe Mack in den vergangenen 20 Jahren gesehen, was aus einer Marke, aus einer Brauerei wurde, die in die Hände eines Bierkonzerns geriet: "Der Standort wurde ausgebeint, die Braukunst vor Ort kam unter die Räder, gebraut wurde irgendwo, aber nicht mehr vor Ort, Rohstoffe wurden billig eingekauft und nach nur einer Woche waren die Biere fertig. Nichts blieb, nur der Name, um die Verbraucher zu halten. Binding und Henniger waren für mich abschreckende Beispiele", so Michael Mack. Ohne mit den großen Bier-Konzernen und Fernseh-Bieren auch nur ein Wörtchen geredet zu haben, nahm der 69-jährige Mack den 35-jährigen Spielmann im Spätsommer 2023 zur Seite und bot ihm an, über eine Nachfolgeregelung zu sprechen. Die Kinder von Mack hätten zuvor klar signalisiert, dass sie ihre Zukunft nicht in der Braubranche sehen.

Gefragt nach seiner Vision für die Zukunft hat Spielmann eine klare Antwort. "Im Grunde stehen wir jetzt ganz ähnlich da, wie die Gebrüder Kleinlein vor 200 Jahren und die Aktionäre vor 100 Jahren. Heidelberg war damals und ist heute wieder eine aufstrebende, eine junge und agile Wissenschaftsstadt mitten in Europa. Wenn es gelingt - ähnlich wie es den Brüdern Kleinlein und den Aktionären von damals gelang – dieses Lebensgefühl mit den Bieren der 'Heidelberger Brauerei' neu aufleben zu lassen, dann kann die Zukunft nur gut werden."

Max Spielmann rechnet vor: "Und wenn man bedenkt, dass der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch bei gut 90 Litern liegt und wir diesen Verbrauch auf die gut 2,8 Millionen Menschen aus der Rhein-Neckar-Region runterbrechen, dann sprechen wir hier von einem Anteil von 0,03 Prozent. Wenn wir es schaffen sollten, auf ein Prozent des Anteils in unserer Region zu kommen, dann haben wir einen riesen Job gemacht." 

Spielmann und Mack sind sich einig: "Das Potenzial ist da. Die Lehren aus der Geschichte kennen wir. Begeisterung für Biervielfalt haben wir. Es liegt an uns." //gz

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GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

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Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.