Die Bierkiste München ist ein Mix aus Kiosk und Kneipe, wo es Helles und Craftbier vom Fass und aus der Flasche gibt. (Foto: Ole Kohls)
Die Bierkiste München ist ein Mix aus Kiosk und Kneipe, wo es Helles und Craftbier vom Fass und aus der Flasche gibt. (Foto: Ole Kohls)

Bier mit Freunden in der Bierkiste München

Die Theresienwiese ist einmal im Jahr die Fläche für das größte Volksfest der Welt. 7,2 Millionen Besucher tranken 2023 6,5 Millionen Liter Bier. Keine 300 Meter entfernt befindet sich in der Zenettistraße im Schlachthofviertel die Bierkiste. Natürlich nicht irgendeine Bierkiste, sondern „Die Bierkiste“, die sich Getränkemarkt und Trinkhalle nennt. Auch geht es hauptsächlich ums Bier. Allerdings ohne Superlative und massenhaften Konsum von Festmärzen, sondern um das „bezahlbare Bier mit Freunden“, wie Tilman Ludwig-Munzig sagt. Und das läuft gut: „Uns geht es gut, das kann man nicht anders sagen“, schwärmt der Gründer und Braumeister. Über ein Wachstum seit dem Start 2020 zu sprechen sei „gar nicht nötig, wir sind einfach extrem gut gestartet“, sagt er. In der Bierkiste lassen sich bis zu 230 verschiedene Biere vor Ort aus der Flasche aus dem Kühlschrank und zwei von „Tilmans Biere“ frisch vom Fass genießen. Natürlich gibt es den Gerstensaft auch kistenweise für Zuhause oder als Weghalbe für unterwegs.

„Es ist schön, dass die Preis-Leistung passt und dass es Fassbier gibt,“ sagt Michael (Name geändert), der zum ersten Mal in der Bierkiste ist. Der Giesinger, rasiert, adretter Scheitel und Weste über der Jacke, trinkt ein Helles. Aus den Boxen läuft Ska-Punk. „Etwas verwirrend ist das Konzept schon. Ist es jetzt eine Kneipe oder ein Getränkemarkt?“, fragt er. Das kenne man eher im Ruhrpott, Frankfurt oder Berlin.

Bier für die Stadt die immer schläft

Für München, die „Stadt, die immer schläft“, wie die einheimische Band Moop Mama die Landeshauptstadt 2014 nannte, ist das Format Büdchen, Trinkhalle oder Spätkauf tatsächlich ein untypisches Konzept. Das zu ändern hat Tilman Ludwig unter anderem Roman Surkau anvertraut. „Also diese Kultur ist noch nicht in Bayern angekommen, aber mit uns jetzt schon“, sagt der Leiter des Getränkemarktes. Der 27-Jährige mit Schiffermütze, Vollbart und großer Drahtbrille sei froh um jeden Kiosk, wie er sagt. Denn so einfach ist das in München sonst nicht, sonntags oder nach Ladenschluss noch an ein Bier zu kommen. „Montag bis Sonntag ab 10 Uhr“, steht an der Tafel neben der vollgestickerten Eingangstür, an der auch ein Plakat für ein Punk-Konzert klebt. Unter der Woche bis Mitternacht, Freitag und Samstag noch eine Stunde länger. „Ohne eine Ausschanklizenz wäre das überhaupt nicht möglich, da würden wir auf die Finger bekommen“, erklärt Surkau. Diese kam zum Glück mit der Immobilie.

Augustiner ist in München Pflicht

Ob man an einem der Stehtische innen Platz findet oder den Bierbänken im Außenbereich, es gilt: Selbstbedienung! Es komme immer wieder vor, dass Gäste draußen darauf warten, bedient zu werden. Oft wollen sie ein Helles. „Welches von den vielen? Kommt doch mal mit rein“, sage Surkau dann. Die Leute staunen hinterher über die Vielfalt an Hellen, Dunklen und Weißbieren, die sich schon im Eingangsbereich bietet.

Filialleiter Roman Surkau zeigt die gebrandeten Craftbier-Kühlschränke im "Grünen Salon" (Foto: Ole Kohls)
Filialleiter Roman Surkau zeigt die gebrandeten Craftbier-Kühlschränke im "Grünen Salon" (Foto: Ole Kohls)
Mit dem Extrawurst-Zettel können die Kunden Bier bestellen, das es noch nicht im Sortiment ist. (Foto: Ole Kohls)
Mit dem Extrawurst-Zettel können die Kunden Bier bestellen, das es noch nicht im Sortiment ist. (Foto: Ole Kohls)
Mit Augustiner und Tegernseer geht es los, aber auch die hauseigenen Biere von Tilmans Biere dürfen nicht fehlen. (Foto: Ole Kohls)
Mit Augustiner und Tegernseer geht es los, aber auch die hauseigenen Biere von Tilmans Biere dürfen nicht fehlen. (Foto: Ole Kohls)

„Wir wollen breit aufgestellt sein und auch kleineren Brauereien wie Rhaner aus Ostbayern eine Chance bieten, die man in München sonst nicht in jedem Laden sieht“, sagt Roman Surkau und beginnt die Runde durch den Markt. „Wir versuchen, die Leute davon zu überzeugen, dass es auch anderes gutes Bier gibt“, sagt er. Augustiner ist trotzdem obligatorisch, die Bayern sind eben sehr traditionsbewusst. Je weiter die Kundinnen und Kunden dann in den Laden gehen, desto tiefer können sie auch in die (Craft-) Biermaterie eintauchen.

Vorbei an regionalen Spezialitäten wie Giesinger und Isarkindl ist eine Insel mit alkoholfreien Getränken aufgebaut. Mit dabei ein hauseigener Cola-Mix. Gegenüber des Kassentresens dann ein Kühlschrank mit internationalen Spezialitäten. Craft Cider, belgische Biere aus dem Brussels Beer Project oder Gueuze Tilquin.

Craftbier vom Fass und aus der Flasche

Zwischen zwei Bierfässern steht ein Glücksrad. „Damit man sich entscheiden kann, was man trinkt,“ sagt Surkau schmunzelnd. Und jedes Feld zeigt Bier an. Daran vorbei geht es in einen Raum mit grünen Wänden, vom Team „Grüner Salon“ genannt. Darin stehen 10 Kühlschränke – und jeder ist das Schaufenster einer anderen Brauerei. Für die Sonderplatzierung kaufen sich die Brauereien ein, ein entsprechend großes Sortenangebot und regelmäßige Lieferung vorausgesetzt. Im Gegenzug garantieren Roman Surkau und sein Team, alle Neuprodukte direkt nach Erscheinen ins Sortiment aufzunehmen. Zuletzt hatte sich Camba Bavaria einen der gebrandeten Kühlschränke gesichert. Der Kühlschrank ist frei geworden, nachdem die Frankfurter Brauerei Flügge 2023 pleite gegangen war.

Auch Sonderwünsche sind möglich

Das Telefon klingelt. Ein Kollege, Strickmütze, Handtattoo, Schnauzer, nimmt ab. Die Dame am Telefon soll bis morgen Berliner Weiße für ihren Chef organisieren. Er empfiehlt einen anderen Laden, der das spezielle gewünschte Produkt vorrätig haben dürfte. Das war dann doch zu kurzfristig. Grundsätzlich seien solche Sonderwünsche aber möglich. „Einfach den Extrawurst-Zettel ausfüllen und ich kümmere mich darum, dass wir das irgendwo herbekommen“, verspricht Surkau. Sollten die Wunschgetränke nicht über den Großhändler verfügbar sein, organisiere Surkau dann direkt bei den Herstellern.

Wegen dieser Aufgaben ist der Filialleiter nur noch selten an der Kasse oder im Barbetrieb, sondern hauptsächlich im Büro aktiv. Der Raum ist vollgepfercht mit Kartons, auch hier stapeln sich die Bierkisten bis zur Decke. Dazwischen ein Laptop. Ach ja, die Punkband auf dem Plakat an der Eingangstür? Das ist die Band vom Chef.

//Ole Kohls

GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.