Foto: Ralf Ziegler/AdLumina
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Stefan Nink über Vogel-Attacken auf Reisen

Freundeskreis von meiner bevorstehenden Australienreise sprach: So süß! Und die Wombats! Noch viel süßer! Und dann die Koalas erst – knuddeliger geht’s gar nicht! Als ich zu erklären versuchte, dass ich geschäftlich nach Australien reise und dort etwa 117 Termine hätte, wurde das mehr oder weniger überhört. Ich solle ja schöne Fotos mitbringen, hieß es. Viele schöne Fotos.

Ich hab weder Koalas gesehen noch Wombats, weil die ebenso wenig durch Sidney oder Melbourne strolchen wie Kängurus, von denen mir auch keines untergekommen ist. Stattdessen hab ich mir eine ausgewachsene Ornithophobie mitgebracht. So nennt man „eine irrationale und überwältigende Furcht vor Vögeln, vor denen keine Gefahr droht“ – wobei ich den letzten Halbsatz bestreiten würde.

Schon beim ersten Business Lunch vor dem Fischmarkt in Sidney wurde ich mit einem ausgewachsenen Pelikan konfrontiert, der mein Essen haben wollte. Alle anderen hat der Vogel ignoriert, als er an den Tisch gewatschelt kam, bloß ich war für ihn interessant. Er hockte neben mir und riss seinen Schnabel derart weit auf, dass man in sein Innerstes hinein sehen konnte.

Ein Albtraum war das, drei Gläser Chardonnay hab’ ich gebraucht, um das zu verdauen. Zwei Tage später hat in Brisbane dann ein Kakadu entdeckt, dass ich ein Brötchen in der Hand hatte. Er ist mir auf die Schulter geflogen und hat sich mit seinen Krallen eingehakt, um mitzuessen. Die Striemen mussten in der Apotheke versorgt werden. Und dann hatte ich noch einen Termin auf Heron Island. Das ist eine Insel vor der Küste Queenslands, auf der gerade 120.000 Rauchseeschwalben ihre Nester hüteten. Davon hatte man mir natürlich nichts gesagt. Diese Black Noddies sind kleine, unschuldig aussehende Vögelchen, die von der Evolution mit dem Mut von Kamikazepiloten kurz vor ihrem Aufbruch nach Pearl Harbor ausgestattet wurden. Man muss bloß aussteigen auf Heron Island, und prompt wird man von den kleinen Noddies als Eindringling identifiziert und attackiert. Schrecklich.

Außer den Noddies gab es dann noch 40.000 Mutton Birds auf der Insel. Ich hab’ nachgeschaut: Die heißen tatsächlich so: Hammelvögel. Wahrscheinlich, weil sie ähnlich blöd sind. „Diese Vögel sind bekannt für ihre schaurigen Rufe in der Nacht“, klärte ein Hinweisschild im Zimmer auf, „wenn Sie sich belästigt fühlen, hält der Insel-Shop Oropax für Sie bereit“.

Leider stand auf dem Schild nichts davon, dass Mutter Evolution auch bei der Flug- und Landetechnik dieser Spezies – Spannweite: ein knapper Meter – nicht so richtig voran gekommen ist: Ein Mutton Bird im Landeanflug erinnert an eine Katastrophe auf der Suche nach einem Ort, an dem sie geschehen kann. Die Landung selbst wird von Ornithologen euphemistisch als „controlled crash landing“ beschrieben, weil bei ihr alles zur Hilfe genommen wird, was die Anflugsgeschwindigkeit irgendwie herabsetzt. Der Hotelfußweg. Die Fensterscheibe des Restaurants. Zur Not auch die Schulter eines Gastes. Die noch verpflastert ist. Wegen der Kakadukrallen. Am Flughafen gab’s einen Bildband: „Kängurus, Wombats und Koalas – Australiens faszinierende Welt der Beuteltiere.“ Den hab’ ich gleich mal gekauft.

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Ausgabe 03/2024

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