Ausgabe 01/2018

Natürlich nachhaltig

Titelbild Sommelier 01/2018

Die alpine Küche zieht sich als Leitthema wie ein roter Faden durch diese Ausgabe. Sie gilt als aktuelles Lieblingsthema aller möglichen Gourmetmagazine und Foodforen. Und das vollkommen zu Recht. Denn diese Bewegung ist vielleicht der nachhaltigste der jüngeren Küchentrends, verglichen mit der molekularen Küche, die dann von der nordischen Küche abgelöst wurde. Warum soll die alpine Küche nachhaltiger sein als ihre Vorgänger? Ganz einfach, weil sie einerseits vertrauter ist, Wild, Fluss- und Seefische, Brot, Milchprodukte – bis auf die Wildkräuter alles in unserer Kultur verankerte Themen, und selbst die Wildkräuter genossen bereits zu Zeiten Hildegards von Bingen große Wertschätzung, ehe sie aus dem Blickfeld verschwanden. Außerdem ist die moderne Bergküche eng verwandt mit der Bewegung der regionalen Küche. Was beide verbindet, ist die persönliche Beziehung des Bauern, Fischers, Jägers – mit anderen Worten des Lieferanten – mit seinem Abnehmer, dem Koch. Eine Entwicklung, die entscheidend dazu beitragen könnte, alte Pflanzensorten und Tierrassen zu bewahren und zu neuer Wertschätzung zu führen. Darüber, sowie über Rezepte und die perfekte Zubereitung der charaktervollen Zutaten wurde in den vergangenen Monaten viel diskutiert und geschrieben.  

Aber niemand hat sich bisher ernsthaft mit der Frage befasst, was diese Küchenphilosophie, die sehr großen Wert auf Bewahrung von Tradition und Nachhaltigkeit legt, für den Sommelier und die Weinauswahl bedeutet: Verändert sich auch seine Rolle? Sollte er seinerseits Lieferanten suchen, die ebenso nachhaltig und traditionsbewusst arbeiten, die auf alte, heimische Sorten und Weinbereitungsmethoden setzen? Und dann die ganz praktische, am Tisch letztlich essenzielle Frage: Welche Weinstilistik passt zur kernigen, würzigen, puristischen Geschmackswelt der alpinen Küche? Das Schöne daran: Es sind die würzigen, mehr auf Textur und Struktur als auf aromatischer Fülle aufgebauten Weine, moderat im Alkohol, mit frischer Säurestruktur. Reife sticht Primäraromatik aus. Eine Weinstilistik, die voll unserer redaktionellen Haltung entspricht, die gekennzeichnet ist von dem Mut des Erzeugers, seinen Weinen Zeit zur Entwicklung zu geben, sie ihren Charakter – auch bewusst mit Ecken und Kanten – entfalten zu lassen. Vielleicht ist das der wahre Terroirausdruck, beim Wein, wie übrigens auch beim Lebensmittel.

Sascha Speicher
Chefredakteur MEININGERS SOMMELIER
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